31.03.2014

Rechtswidrige Polizeigewahrsam kann Schmerzensgeldanspruch begründen

Wer längere Zeit (mehrere Stunden) rechtswidrig in Polizeigewahrsam festgehalten wird, dem kann grundsätzlich ein Anspruch auf Schmerzensgeld zur Seite stehen. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 11.11.2009 zum Aktenzeichen 1 BvR 2853/08 anlässlich einer Verfassungsbeschwerde zweier Personen, die im Jahre 2001 aus 3 km Entfernung Proteste gegen einen Castortransport in das Zwischenlager Gorleben beobachten wollten und hierbei von Polizeibeamten aufgegriffen und für mehrere Stunden in Gewahrsam genommen wurden.

Im vorliegenden Fall hielten sich die Beschwerdeführer im Wendland auf, weil sie die Demonstration anlässlich eines Castortransportes beobachten wollten. Für einen Korridor von 50 m beiderseits der Bahnstrecke war ein Demonstrationsverbot verhängt worden. Die Beschwerdeführer saßen an diesem Tag etwa 3 km von den Bahnschienen entfernt in ihrem Auto, wo sie von Polizeibeamten angetroffen wurden. Diese nahmen beide Beschwerdeführer zusammen mit rund 70 anderen Bürgern in Gewahrsam, aus dem sie erst mehrer Stunden später entlassen wurden.

Zunächst hatte das Amtsgericht Uelzen auf Antrag der Beschwerdeführer im März 2007 festgestellt, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig war.

Sodann hatten die Beschwerdeführer mit einer bereits im Juli 2004 erhobenen Amtshaftungsklage gegen das Land Niedersachsen und die Bundesrepublik Deutschland Schadenersatzklage wegen rechtswidriger Freiheitsentziehung erhoben. Diese Klage und die wertlegende Entscheidung auf die erhobene Berufung blieben jedoch erfolglos. Hiergegen zogen die Beschwerdeführer vor das Bundesverfassungsgericht und rügten, dass die angegriffene Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 S. 2 GG sowie Artikel 1 Abs. 1 GG auch i. V. m. Artikel 2 Abs. 1 GG nicht erkannt hätten, indem sie die herabwürdigenden Umstände der Ingewahrsamnahme nicht berücksichtigt hätten.

Mit der nunmehr ergangenen Entscheidung hob das Bundesverfassungsgericht die instanzlichen Urteile des Landgerichtes Lüneburg und des Oberlandesgerichtes Celle auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Es entschied hierbei, dass die angegriffenen Urteile die Beschwerdeführer in ihren vorgenannten Grundrechten verletzten. Sie hätten bei der Versagung eines Amtshaftungsanspruches nicht berücksichtigt, dass schon die Voraussetzung für die freiheitsentziehende Maßnahme selbst nicht gegeben sei.

Außerdem hätten die Gerichte die Umstände des Gewahrsamvollzugs bei der Versagung des Schmerzensgeldanspruches in verfassungsrechtlich nicht mehr tragfähiger Weise außer Acht gelassen.

Hierbei beanstandete das Bundesverfassungsgericht insbesondere, dass das Oberlandesgericht Celle in der mindestens 10stündigen Festsetzung der Beschwerdeführer keine nachhaltige Beeinträchtigung gesehen habe, ohne die abschreckende Wirkung zu erwägen, die einer derartigen Behandlung für den künftigen Gebrauch grundrechtlich garantierter Freiheiten – namentlich die durch Artikel 6 Abs. 1 GG geschützte Teilnahme an Demonstrationen – zukommen könne und die der Rechtsbeeinträchtigung ein besonderes Gewicht verleihen könne.