13.03.2014
Leistungskürzungsrecht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit im Vollrausch
Der BGH hatte über das Leistungskürzungsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles während einer Trunkenheitsfahrt zu entscheiden.
Der Kläger kam auf einer Rückfahrt von einem Rockkonzert mit seinem PKW außerorts in einer Kurve nach links von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Laternenpfahl. Eine Blutentnahme ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,70 Promille. Im anschließenden Strafverfahren wurde der Kläger wegen fahrlässigen Vollrausches verurteilt. Die Beklagte verweigerte jede Leistung.
Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen.
Vor dem BGH hat die Revision, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt hatte, Erfolg.
Der BGH ist der Auffassung, dass ein Leistungskürzungsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles ausscheidet, wenn der Versicherungsnehmer unzurechnungsfähig war. Dies käme hier für den Zeitpunkt des Unfalls wegen der hohen Blutalkoholkonzentration des Klägers sowie weiterer Indizien (Blutentnahmeprotokoll, Angaben der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten) in Betracht.
Sollte eine Unzurechnungsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls vorgelegen haben, so könne der Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles allerdings auch an ein zeitlich früheres Verhalten anknüpfen. Das sei der Fall, wenn der Versicherungsnehmer vor Trinkbeginn oder in einem Zeitpunkt, als er noch schuldfähig wäre, erkannt oder grob fahrlässig nicht erkannt habe, dass er im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit einen Versicherungsfall herbeiführen werde. Hierfür sei maßgeblich, ob und welche Vorkehrungen der Kläger, der mit dem PKW unterwegs wäre und beabsichtigte, Alkohol zu trinken, getroffen hätte, um zu verhindern, dass er die Fahrt in alkoholisiertem Zustand antreten oder fortsetzen werde.nbsp
Sollte von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Kläger auszugehen sein, so sei der Versicherer nach § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Im Falle grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer kann in Ausnahmefällen die Leistung vollständig versagen werden, sogenannte Kürzung auf Null. Das könne bei absoluter Fahruntüchtigkeit in Betracht kommen, bedarf aber immer der Abwägung der Umstände des Einzelfalles.
Das bedeutet für jeden Verkehrsteilnehmer: Sollte es sich in irgendeiner Weise abzeichnen, dass nach einer Veranstaltung auf der Alkohol sicher fließen wird, ein (Heim-)Weg mit dem Auto noch bevorsteht, ist der Versicherungsschutz in Gefahr. Dem kann man nur entgehen, wenn Sorge dafür getragen wird, dass die Benutzung des Fahrzeuges unter Alkoholeinfluss sicher verhindert wird.
Hierfür ist immer der besondere Einzelfall zu betrachten. Sollten Sie selbst in eine solche Lage geraten sein, dann können Sie sich gern an unsere Kanzlei wenden.
Urteil vom 22.06.2011, Az.: IV ZR 225/10